
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Anwendung
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist grundsätzlich das vom Finanzamt bevorzugte und empfohlene Verfahren im Bereich der Unterneh-mensbewertung. In einigen seltenen Ausnahmefällen behalten sich jedoch sowohl das Finanzamt als auch der Gesetzgeber das Recht vor, dieses Verfahren als ungeeignet abzulehnen.
Das Verfahren dient dazu, die Bewertung von Unternehmen für steuerliche Zwecke zu vereinfachen und eine verlässliche Bemessungsgrundlage zu schaffen. Allerdings unterliegt es in seiner Anwendbarkeit gewissen Einschränkungen. Insbesondere in Fällen, in denen das Unternehmen oder die Transaktionen außergewöhnliche Umstände aufweisen, kann das Finanzamt auf alternative Bewertungsmethoden zurückgreifen.
Rechtliche Grundlage
Die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens wird in §199 BewG geregelt. Er definiert die Unternehmensformen, auf die das vereinfachte Ertragswertverfahren anzuwenden ist, sowie die notwendige Bedingung einer Unternehmensbewertung unter Ertragsaussichten zum gemeinen Wert.
Nicht-Anwendung
Die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ist ausgeschlossen, sollten branchentypisch ertragswertorientierte Verfahren ausgeschlossen sein (ErbStR R B 199.1). In der Praxis kommt es jedoch nahezu nie vor, da es für die meisten Bewertungszwecke, insbesondere steuerliche, bevorzugt wird.
Zweifel der Anwendung
Da das Gesetz keine detaillierte Auskunft über die genauen Grenzen der Anwendbarkeit gibt, sind folgende Punkte als Anhaltspunkte für das Vorliegen von Zweifeln an der Anwendung zu verstehen:
Bei komplexen Unternehmensstrukturen, insbesondere wenn es sich um verbundene Unternehmen handelt.
Bei neu gegründeten Unternehmen, insbesondere wenn die Gründung weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag erfolgt ist. In solchen Fällen ist der künftige Jahresertrag oft noch nicht ableitbar, und es können aufgrund von Gründungskosten offensichtlich unzu-treffende Ergebnisse entstehen. Beim Jahresertrag ergeben sich oft interessante Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Gesetzgeber hat bislang nicht klar definiert, was als neu gegründetes Unternehmen oder Start-up gilt. Auch fehlen präzise Definitio-nen für komplexe Strukturen und Wachstumsbranchen, ebenso wie für Branchenwechsel. Dies führt zu Unsicherheiten bei der Anwen-dung des vereinfachten Ertragswertverfahrens in diesen Fällen.
Bei Branchenwechsel eines Unternehmens, da der künftige Jahresertrag nicht zuverlässig ableitbar ist.
Bei besonderen Umständen, wie beispielsweise Wachstumsunternehmen, Krisensituationen oder absehbaren Änderungen des wirt-schaftlichen Umfeldes, die eine realistische Prognose des Jahresertrags erschweren.
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, z. B. nach § 1 AStG, § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG oder § 12 Absatz 1 KStG, sofern der jeweils andere Staat nicht die Ergebnisse des vereinfachten Ertragswertverfahrens seiner Besteuerung zugrunde legt.
Offensichtlich unzutreffende Ergebnisse
Das Gesetz erwähnt zwar ausdrücklich, dass eine Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens bei “offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen” nicht möglich ist, lässt aber wiederum jegliche Definition darüber offen, was es als “offensichtlich unzutreffend” kategorisiert. Offensichtlich unzutreffende Ergebnisse können oft erst erkannt werden, wenn das tatsächliche Ergebnis der Bewertung vorliegt, was einen Zirkel-schluss darstellt.
Erkenntnisse über offensichtlich unzutreffende Ergebnisse können auch durch Folgendes ableitbar sein (ErbStR R B 199.1):
Vorliegen zeitnaher Verkäufe, wenn diese nach dem Bewertungsstichtag liegen;
Vorliegen von Verkäufen, die mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegen;
Erbauseinandersetzungen, bei denen die Verteilung der Erbmasse Rückschlüsse auf den gemeinen Wert zulässt.
Abweichung des Ergebnisses
Eine Art des offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses ergibt sich demnach wohl aus einer starken Abweichung des Unternehmenswertes zwischen dem Ergebnis des vereinfachten Ertragswertverfahrens und dem “tatsächlichen” gemeinen Wert.
Jahresertrag
Bei der Ermittlung des zugrunde zu legenden Jahresertrages können gewisse Abweichungen vorgenommen werden:
Flexibilität im vereinfachten Ertragswertverfahren: Keine strikte Bindung (Ausnahmen) an Ergebnisse der letzten drei Jahre.
§ 201 Abs. 2 BewG: Durchschnittsertrag basiert auf Betriebsergebnissen der letzten drei Jahre.
Einbeziehung aktueller Betriebsergebnisse: Unter bestimmten Bedingungen fließt das Ergebnis des laufenden Wirtschaftsjahres vollständig ein (§ 202 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Ignorierung saisonaler Schwankungen: Nur vollständige Jahresergebnisse zählen, keine zeitanteiligen.
Berechnung des Durchschnittsertrags: Summe der Betriebsergebnisse geteilt durch drei, unabhängig von Höhe im Vergleich zu Vorjahren.
Ermittlungszeitraum
Unter gewissen Umständen kann der Ermittlungszeitraum von den ursprünglichen, letzten drei Jahren, abweichen und verkürzt werden.
Verkürzter Ermittlungszeitraum
Bei nachhaltigen Unternehmensveränderungen:
erkennbar in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren, einschließlich des laufenden Wirtschaftsjahrs
mindestens zwei volle Wirtschaftsjahre
Bei neu gegründeten Unternehmen:
mindestens ein volles Wirtschaftsjahr, ansonsten VEWV nicht anwendbar
Korrektur des Jahresertrags:
Bei Umwandlung, Umstrukturierung, Einbringung:
Insb. problematisch bei Einbringung von Teilbetrieben ohne gesonderte Buchführung.
Frühere Ergebnisse zu korrigieren, wenn sich Rechtsformwechsel auf Jahresertrag auswirkt (z.B. Wechsel der Gewinnermittlungsart)
Rumpfwirtschaftsjahr:
Umfasst der Ermittlungszeitraum bei Neugründung ein Rumpfwirtschaftsjahr, ist regelmäßig nicht das Betriebsergebnis des Rumpfwirtschaftsjahres, sondern das volle Betriebsergebnis des letzten, noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres einzubeziehen.

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