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Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Ableitung aus Verkäufen

Bei der Ableitung des Unternehmenswertes aus Verkäufen gelten einige Kriterien, welche sich u.a. aus der Rechtsprechung und den Erbschaftssteuerrichtlinien ergeben. Hierzu zählen, dass nur Verkäufe von Anteilen derselben Gesellschaft herangezogen werden dürfen. Verkäufe von Anteilen anderer Unternehmen (auch der Vergleich mit Börsenkursen anderer Unternehmen) ist hierbei nicht gestattet ((R B 11.2 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2019 u. BFH, Urteil v. 14.10.1966 - III 281/63).

Eine Anteilübernahme im Rahmen einer Kapitalerhöhung ist dagegen zulässig (BFH, Urteil v. 5.2.1992 - II R 185/87 BStBl 1993 II).

Verkäufe, die innerhalb eines Jahres stattfinden, können als Indikator für den Unternehmenswert dienen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Kunde, der am 7. Juli 50 % seines Unternehmens für 1 Mio. € verkauft und am 11. November gegenüber dem Finanzamt erklärt, der Unternehmenswert betrage nur 1 €. In solchen Fällen wird die Plausibilität aufgrund der zeitlichen Nähe der Transaktionen infrage gestellt.

Stichtagsnähe

Verkäufe sind nur zulässig heranziehbar sofern sie innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben. Verkäufe, welche sich nach dem Bewertungsstichtag ereignet haben, sind grundsätzlich von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Ausnahmsweise können nachträgliche Transaktionen herangezogen werden, sollte der Kaufpreis und übrige Konditionen bereits nachweislich vor dem Bewertungsstichtag ausgehandelt worden sein und der Vollzug der Transaktion geschieht in unmittelbarer Nähe nach dem Bewertungsstichtag (ca. 1 Woche).

Gewöhnlicher Geschäftsverkehr

Verkäufe, welche zur Ermittlung des Unternehmenswertes herangezogen werden, müssen innerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehres getätigt worden sein, um das missbräuchliche Heranziehen von Transaktionen, die im Normalfall (=gewöhnlichen Geschäftsverkehr) nicht vorkommen, zu ermöglichen.

Folgende Transaktionen sind u.a. als Teil des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs anzusehen:

  • Branchenfremdes Unternehmen kauft GmbH-Anteile

  • Handel mit Sperrminoritäten, Schachtelbeteiligungen oder Mehrheitsbeteiligungen (BFH, Urteil v. 23.2.1979 - III R 44/77)

  • Nennwert der umgesetzten Aktien im Verhältnis zum Grundkapital der Gesellschaft sehr gering, aber mehrere Verkäufe = keine ungewöhnlichen Verhältnisse (BFH, Urteil v. 6.5.1977 - III R 17/75)

  • „krasses Missverhältnis“ der stichtagsnahen Verkaufspreise zu dem Wert, der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergeben würde – nicht ungewöhnlich (BFH, Urteil v. 22.8.2002 - II B 170/01)


Nicht gewöhnlicher Geschäftsverkehr

Zum nicht gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehören zum Beispiel Transaktionen im Rahmen der Zwangsvollstreckung bzw. aus einer Konkursmasse (vgl. BFH, Urteil v. 25.6.1965 - III 384/60). Auch Anteile, welche zum Nominalwert übertagen wurden, können nicht zur Unternehmenswertableitung herangezogen werden (BFH, Urteil v. 15.7.1998 - II R 23/97).

Verkäufe unter fremden Dritten

Das Gesetz definiert, dass nur Verkäufe “unter fremden Dritten” zur Wertfindung herangezogen werden dürfen. Obwohl das Gesetz keine genauere Definition liefert, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Familienangehörige/Verwandte in der Regel nicht als fremde Dritte anzusehen sind. Dennoch gibt es in der Rechtsprechnung Fälle, in welchen entfernte Angehörige als “fremde Dritte” anzusehen sind, sofern die Verkäufe wie unter fremden Dritten ausgehandelt bzw. zustande gekommen sind.

Beispiel: Eine Unternehmerin verkauft ihr schuldenfreies Unternehmen an ihren Ehemann für 7 €, obwohl das Unternehmen einen Cashbestand von 1 Mio. € besitzt. Solche Verkäufe werden steuerlich kritisch betrachtet, da sie nicht zwischen unabhängigen Dritten erfolgen.

Keine Wertableitung aus Börsenkursen/Verkäufen

Sollte keine Wertableitung aus Börsenkursen oder Verkäufen unter fremden Dritten möglich sein, kann der Steuerpflichtige von seinem Wahlrecht der Bewertungsmethode (unter o.g. Voraussetzungen) Gebrauch machen und das vereinfachte Ertragswertverfahren wählen.

Bewertungsschritte

Das vereinfachte Ertragswertverfahren, als steuerliche Methode zur Unternehmensbewertung besteht in seinem Kern aus fünf Bewertungsschritten. Es ermittelt den höheren Wert als Mindestwert aus Ertragswert und Substanzwert als Minimum:

  • Mittelwert der letzten drei Betriebsergebnisse; hierbei kann der Ermittlungszeitraum ggf. verkürzt werden, sollten besondere Umstände vorliegen (z.B. Wachstumsunternehmen, starke Veränderungen des Marktumfeldes)

  • Der ermittelte Mittelwert wird um Hinzurechnen und Kürzungen ergänzt bzw. bereinigt, mit dem Ziel einen nachhaltig erzielbaren Jahresüberschuss zu erhalten, welcher um Sonder- und Einmaleffekte bereinigt ist.

  • Multiplikation des nachhaltig erzielbaren Jahresüberschusses mit dem Kapitalisierungsfaktor von 13,75.

  • Eigenständige Bewertung zum gemeinen Wert von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, Beteiligungen, jungen Wirtschaftsgütern.

  • Berechnung des Unternehmenswertes zzgl. der weiteren Vermögensgegenstände


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Bewertungsschritte des vereinfachten Ertragswertverfahrens.

Substanzwert

Die Unternehmensbewertung erfolgt grundsätzlich zum gemeinen Wert. Der gemeine Wert ist dabei definiert als Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei Veräußerung unter fremden Dritten zu erzielen wäre. Da der vereinfacht errechnete Ertragswert unter gewissen Umständen niedriger sein kann als der Buchwert der Vermögensgegenstände (abzgl. Verbindlichkeiten und Rückstellungen), schreibt das Gesetz in §11 Abs. 2 Satz 3 BewG sogleich den Substanzwert als den anzusetzenden Mindestwert vor.

Praxishinweis

Das vereinfachte Ertragswertverfahren basiert auf Vergangenheitswerten und entspricht daher nicht immer dem aktuellen wissenschaftlichen Ansatz in der Unternehmensbewertung. Dennoch ist es vom Steuergesetzgeber als Standardverfahren vorgesehen. Aus unserer praktischen Erfahrung zeigt sich jedoch, dass diese Methode, insbesondere bei KMU, häufig zu überhöhten Unternehmenswerten führt. Dies liegt vor allem an dem in der Praxis oft zu hoch angesetzten Kapitalisierungsfaktor, was zu unrealistischen Einschätzungen des Unternehmenswertes führen kann.



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